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Liebe Freunde!
Bald sind es neun Monate, die wir nicht mehr in Deutschland waren. Es war unsere gemeinsame Entscheidung.
Selbst als uns die Deutsche Botschaft des Öfteren eine Ausreise aus der Ukraine empfohlen hatte, wussten wir, dass unsere Entscheidung richtig war. Es war uns wichtig, auf ukrainischer Seite – der Arbeit auf der Basis - keine Ungewissheit aufkommen zu lassen.
Jetzt freuen wir uns riesig, Familie, Kinder und Enkel wieder zu sehen!
Wir sind sehr dankbar für alle Gäste aus der Heimat, die wir in unserem Gästehaus beherbergen konnten. Danke allen, die sich zu uns in die Ukraine aufgemacht haben! Ein herzliches Dankeschön gilt auch allen, die uns immer wieder angerufen oder geschrieben haben. Es ist wunderbar zu erfahren, Freunde und Familie in der Heimat zu haben!
Krise hin – Krise her
Die Ukraine selbst hat beste Erfahrungen im Bewältigen von Lebenskrisen. So kam es auch, dass vor allem bei den Menschen und an den Orten, wo die Lebensumstände sowieso schwierig sind, sich kaum etwas verändert hat. Gerade im Kampfgebiet im Osten wird dies sehr deutlich. Aber auch in ländlichen Gebieten lief das alltägliche Leben trotz der Coronakrise einfach weiter. Die Garten- und Feldarbeit konnten nicht warten. Als die Busverbindung zur Stadt eingestellt wurde, haben die meisten Dorfbewohner dies mit einem Achselzucken zur Kenntnis genommen. Schwerer traf es allerdings all jene, die im Ausland einen Arbeitsplatz gefunden hatten. So kam es, dass hier im Dorf plötzlich viele arbeitssuchend waren. Nur in Ausnahmefällen sieht man Personen, die eine Maske tragen. Allerdings besteht auch in der Ukraine Maskenpflicht beim Betreten von Verkaufsstellen.
Wir selbst kamen gut durch diese außergewöhnliche Zeit. Lediglich in der Bäckerei mussten wir den Backbetrieb reduzieren, da durch die Schulschließungen viel weniger Backwaren nötig waren. So arbeiten jetzt pro Schicht zwei statt vorher drei Bäcker.
Unser Selbsthilfeprojekt
In unseren separaten Gebetsnachrichten hatten wir bereits von den Schwierigkeiten mit unseren Nachbarn berichtet. Sie haben uns etliche Kontrollen auf den Hof geschickt. Wir wurden vom Ordnungsamt, dem Amt für Ökologie, der Bauaufsicht, der Wasserwirtschaft, dem Dorfrat, dem Grundbuchamt und dem Tiermedizinischen Dienst besucht und kontrolliert. Zusätzlich verbreiteten unsere Nachbarn im Internet auf vielen Sozialen Netzwerken diverse Lügen und Hetze über uns. Wir sind sehr froh, dass wir in den vergangenen Jahren alle behördlichen Dokumente in Ordnung gebracht bzw. aktualisiert hatten. Wir haben keine illegalen Häuser oder Ställe gebaut, alle Grundstücke sind ordentlich registriert und es liegen alle nötigen Betriebserlaubnisse vor. Am Ende blieb von allen Vorwürfen nichts übrig. Die einzige Auflage, die uns erteilt wurde, ist den Tierbestand auf 40 „Köpfe“ reduzieren zu müssen. Begründet wird diese Vorgabe damit, dass es sich um eine Tierhaltung in einem Wohngebiet handelt. Auf Anraten des Bürgermeisteramtes haben wir in dieser Sache unseren Anwalt eingeschaltet und dieser hat nun Strafanzeige gestellt.
Es arbeiten weiter über zwanzig Personen bei uns, alle offiziell angemeldet und mit monatlichem Lohn.
Die Getreide- und Rapsernte war leider durch die langanhaltende Trockenheit nicht so ergiebig. Allerdings war es uns aufgrund guter Aufkaufpreise möglich, unseren altgedienten Traktor mit Hublader durch ein neueres Modell zu ersetzten.
Das Maissilo konnten wir verdoppeln, so können wir jetzt für das ganze Jahr Futter lagern.
Besonders dankbar sind wir über die Vergrößerung unserer Felder. Durch auslaufende Mietverträge war es möglich, neue Vermieter für uns zu gewinnen und dadurch 30 Hektar mehr zu bestellen.
Familie Prosjanik
Ina hat einen Sohn und zwei Töchter.
Der Vater der Mädchen heißt Vitali. Seit Vitalis‘ Vater verstorben ist, hat dieser mehr und mehr das Gleichgewicht verloren. Er kam oft betrunken, oder auch ein paar Tage gar nicht mehr nach Hause. In der letzten Zeit hat sich die ganze Situation zugespitzt und die Kinder bekamen Angst vor ihrem Vater.
Ina traf Ende August die Entscheidung, einen anderen Wohnplatz zu suchen. Mit unserer Hilfe fand sie ein Haus in Schulnähe. Der kleine Umzug war schnell organisiert und durchgeführt. Das Haus stand zwei Jahre leer und ist in einem renovierungsbedürftigen Zustand. Zuerst haben wir einen kompletten Traktoranhänger mit Schutt von Haus und Grundstück weggebracht. Der Brunnen ist leider verschmutzt und es fehlen noch einige Fensterscheiben. Aber alles ist besser, als in Angst und Unruhe zu leben. Inas Sohn hat einen Platz in einer Sportschule in Dnipro erhalten. Während des Sommers hat er bei uns im Stall gearbeitet, um sich so etwas Geld dazu zu verdienen. Die Mutter kann das Schulgeld nicht allein tragen. Von Vitalis Lohn kam die letzten Jahre nichts mehr bei ihr an. Gerne möchten wir als Verein den Jungen monatlich unterstützen. Mit etwa 70 Euro im Monat wären sein Studium und die Unterkunft abgesichert. Dem Jungen bietet sich die Gelegenheit, trotz dass er aus der unteren Sozialschicht der Ukraine kommt, einen Hochschulabschluss zu absolvieren. Wenn wir ihm die Unterstützung zusichern, möchten wir ihm im Gegenzug ein Versprechen abnehmen, dass er später auch eine Person unterstützt und ihr die gleiche Chance bietet. Es ist uns wichtig, dass sich Gutes und Segen vervielfältigen! Wer von euch den Jungen gerne unterstützen möchte, notiert im Verwendungszweck bitte „Rostik“.
Kartoffeln für die Front
Bei unserem letzten Besuch im Frontgebiet entstand die Idee, dass wir für die Menschen dort im unmittelbaren Frontgebiet Hilfe anbieten wollen, besonders für die Personen, dessen Garten sich direkt im Schussfeld befindet und nicht bestellt werden kann.
Wir haben unser Kartoffelfeld entsprechend erweitert, aber unter der Auflage, dass zur Ernte eine Mannschaft vom Kriegsgebiet zum Ernteeinsatz kommt. Die Ankunft der Kartoffelerntehelfer war für den ersten September geplant. Durch etliche Pannen erreichte uns die Mannschaft erst spät in der Nacht. Am nächsten Morgen ging es dennoch früh los, bei Sonnenaufgang waren alle auf dem Feld und die Kartoffelernte konnte beginnen. Nach zwei Tagen hatten die 9 Helfer und wir so viele Kartoffeln aufgelesen, dass ihr Bus und der Anhänger gut gefüllt werden konnten. Mit etwa 3 Tonnen Kartoffeln sollte die Rückreise beginnen. Durch erneute Reparaturen am Bus verzögerte sich das aber noch um einen weiteren Tag. So voll belegt war unser Vereinshaus schon lange nicht mehr! Am Freitag in aller Frühe startete der Transport dann seine Rückreise. Nach weiteren Reparaturen erreichten sie dann in der Nacht die Heimat und bald darauf konnten die Kartoffeln im Frontgebiet verteilt werden. Etwa ein Drittel der Ernte soll einer Obdachlosenküche zugutekommen. Für uns war sehr wichtig, die Spendenempfänger mit in den Ernteprozess einzubeziehen. Jeder hat gespürt, dass trotz technischem Einsatz die Kartoffelernte bei sommerlichen Temperaturen harte Arbeit ist.
Hoffnung auf Frieden
…kommt gerade im Frontgebiet im Osten der Ukraine auf. Seit einigen Tagen sind die Kämpfe fast vollkommen eingestellt. Nur gelegentlich hört man noch einen Abschuss einer Granate. Dieser Prozess setzte fast zeitgleich mit den Unruhen nach der Wahl in Belarus ein. Wir beten und hoffen, dass dafür nicht an einem anderen Ort dieser Erde Unruhen ausbrechen.
Weihnachtsaktion 2020
Wir haben uns im Vorfeld reichlich Gedanken gemacht, wie unsere diesjährige Weihnachtsaktion aussehen könnte. In den vergangenen Tagen wurden wir auf zwei Seniorenheime in unserer Kreisstadt Alexandria aufmerksam gemacht. Das Besondere an den Heimen ist, dass dort ausschließlich Menschen leben, die keine weiteren Angehörigen haben. Dass bedeutet, dass alle Personen nur von staatlicher Unterstützung leben. Man kann dort wahrlich nicht von Überfluss sprechen. Auch scheinen in den Heimen die positiven Entwicklungen der vergangenen Jahre an Gebäudestruktur und Renovierungsarbeiten vorübergegangen zu sein. Wir möchten den Senioren dort zum Weihnachtsfest besondere Freude bereiten. Wir werden Brot, Brötchen, Kuchen, Butter Käse und Milch in die Heime bringen. Darüber hinaus wollen wir mit Pastor Sascha aus Alexandria für die Alten eine Weihnachtsfeier mit der Botschaft von der Geburt Jesu bringen. Wir möchten das Licht und die Freude der guten Nachricht in die alten Herzen und Gemäuer tragen! Die Senioren sollen erfahren, dass Jesus sie nicht vergessen hat und seine Liebe das Fest überstrahlt.
Allgemeines
Uns wurde für ein weiteres Jahr die Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis für die Ukraine ausgestellt. Wir beten weiter für dieses Land und seine Regierung, die sich sehr schwer tut, richtige und weise Entscheidungen zu treffen.
Wir erleben eine schleichende Inflation. Es gibt bereits 500 und auch 1000 Griffni Scheine und das Kleingeld ist so gut wie verschwunden. Auffällig sind auch die vielen neuen Scheine!
Dennoch wurde auch in unserem Dorf ein Stück Straße instandgesetzt, wie auch im ganzen Land, Stück um Stück Straßen erneuert werden. Das ist für uns immer wieder erstaunlich, in Zeiten des Krieges und der Krise!
Wir bedanken uns recht herzlich für alle Unterstützung, für jedes Gebet und die Spenden!
Mit lieben Grüßen aus Protopopovka!
Achim und Gabriele
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