Liebe Grüße aus der Ukraine in die Heimat, zu allen Freunden und Helfern!
Vielen herzlichen Dank an Euch alle für Eure Rückmeldungen, jedes ermutigende und trostspendende Wort und natürlich nicht zuletzt für jede Form der Unterstützung! Wir befinden uns im Tag 4 des Krieges! Der offensive Krieg ist noch so jung – und dennoch hat sich in diesen Tagen so viel verändert!
Uns geht es gut und wir können unserer Arbeit nachgehen. Wir sind dankbar, denn im Moment verfügen wir noch über Internet, Strom und Gas – das ist in Kriegszeiten wirklich ein Wunder! Der Backofen wurde schon vor einiger Zeit auf Dieselbetrieb umgestellt. Wir sind sehr froh, dass wir einem inneren Impuls nachgegangen sind und alle Behälter und Tanks mit Diesel befüllten! Dieser Vorrat verschafft uns Unabhängigkeit für eine gewisse Zeit. An den Tankstellen gibt es nur noch selten Treibstoff oder Flüssiggas zu kaufen.
Bombenkeller
Unsere "Bombenkeller" sind vorbereitet und alle Nachbarn erhalten im Bedarfsfall freien Zugang. Momentan stehen uns 18 Betten für Flüchtlinge bereit. Die konkrete Belegung wird durch den Bürgermeister entschieden. Wir verfügen allerdings noch zusätzlich über ein kleines Kontingent an nicht gemeldeten Schlafplätzen, über die wir beim Eintreffen von "unangemeldeten" Flüchtlingen auch selbst entscheiden können.
Völkerwanderung
Neben den militärischen Bewegungen im Land existieren derzeit drei Strömungen der Völkerwanderung: Die erste Route verläuft nach Westen an die verschiedenen Grenzübergänge. Allerdings strömt von Westen auch eine Flüchtlingswelle wieder zurück ins Landesinnere. Viele Flüchtlinge können keine Ausreise erwirken v.a. Männer im Alter zwischen 18 und 60 Jahren und Familien mit Pflegekindern. Der dritte Strom flüchtet aus den Großstädten in die ländlichen Regionen, meist zu Eltern, Großeltern oder anderen Verwandten. Auf dem Land ist es im Moment am sichersten.
Unser Iwan ist noch nicht eingezogen worden. Wir haben gemeinsam mit unserer Buchhalterin in den letzten Tagen eine Art ‘Notfallplan‘ ausgearbeitet - für den Fall, dass wir hier nicht mehr Entscheidungsgewalt ausüben können oder das Land verlassen müssen.
Am größten ist das Leid der Frauen, die ihre Männer, Söhne oder Enkelsöhne an die Front verabschieden mussten. Wir benötigen viel Zeit und Kraft, um ihnen Trost zuzusprechen. Allerdings stellen wir auch fest, dass die ungebremste und ungefilterte Flut an (Fehl)Informationen, die Menschen zusätzlich in Angst und Schrecken versetzt. An dieser Stelle gilt es besonders weise zu sein.
Bei uns herrscht wie überall im Land Ausgangssperre und Verdunklungspflicht. Unsere alte Mama Sveda hat ihr Zimmer von allein entsprechend vorbereitet. Auf unsere Nachfrage hin antwortete sie selbstverständlich: Ich bin Kriegskind! Es tut uns weh, dass sie diese Erfahrungen und Ängste in ihrem hohen Alter noch einmal durchleben muss.
Wo der Autokonvoi mit 40 Fahrzeugen aus Kramatorsk hängengeblieben ist, wissen wir leider nicht. Die Stadt, in der wir im letzten November noch Verpflegung für die Frontsoldaten im Donbass einkauften, existiert nicht mehr. Ein Trümmerfeld lässt die Stadt nur noch erahnen. Beten wir, dass alle Kinder, die transportiert wurden, gut untergekommen sind und ihnen vielleicht nur auf der Reise das Benzin ausgegangen ist.
Slavansk und die neue Schule sind - Gott sei Dank - immer noch in ukrainischer Hand. Wir konnten gestern mit der Schuldirektorin telefonieren.
Kriegsbrot
Aufgrund der besonderen Situation haben wir uns dazu entschieden, ab Morgen unser Roggenmischbrot verbilligt als Kriegsbrot oder Krisenbrot anbieten. Seit gestern steigen die Brotpreise beständig. Wir freuen uns und sind euch allen für jedwede Unterstützung bzw. Spende dankbar. Weiterhin rufen wir verstärkt auf, für die Menschen zu spenden, denen es aufgrund von Krankheiten oder wegen ihres Alters nicht möglich ist, eine Flucht anzutreten. Ebenfalls werden wir verstärkt Personen unterstützen, die durch die Kriegssituation ihr Hab und Gut verloren haben und jetzt mittellos sind.
Gebetsanliegen
Für alle, die sich auch im Gebet mit uns eins machen möchten:
Wir beten und bitten:
- ... für alle Kämpfer, für Verletzte und für die Sterbenden. Wir denken an alle Menschen in Not und Angst.
- … für alle Flüchtlinge, besonders für die vielen Kinder, welche ihre Heimat und die Familie verloren haben.
- … für Frieden und das die augenscheinliche Katastrophe noch verhindert werden kann.
- … für alle Politiker, dass sie mit Erkenntnis gesegnet sind und die richtigen Entscheidungen treffen. (Und dass diese Entscheidungen schnell umgesetzt werden - gestern kamen die vor drei Wochen versprochenen Schutzhelme in der Ukraine an).
- … dass Gott dem Feind Verwirrung schenkt, wie wir es schon aus der Bibel kennen.
- … für alle Menschen, die aufstehen und gegen diesen Krieg protestieren.
- … für uns persönlich, dass wir immer zur richtigen Zeit am richtigen Platz sind und die richtigen Entscheidungen für unser Leben treffen.
- … für unsere ganze Familie, die uns mitträgt und uns jeder auf seine eigene Weise unterstützt.
Wir danken Euch allen für jedes Gebet und alle Friedenstreffen! Wir sind gewiss, dass SEIN Wille geschieht!
Wir sind euch sehr dankbar für alles Mitstehen und Mitgehen mit uns!
Wenn es uns möglich ist, halten wir Euch weiter auf dem Laufenden!
Liebe Grüße aus Protopopofka senden euch Achim und Gabriele Döbrich
PS: Wer diesen Brief gerne als PDF weitergeben, in Gemeinden auslegen oder bei Gebetstreffen verteilen möchte, kann sich gerne an a.meyer@nehemia-freundeskreis.org wenden.
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